Bewertungen - das eigene Wort, wer holt es zurück?

Lesezeit: 4 Minuten, Wörter: 631

Heute möchte ich mal über ein leidiges Thema schreiben, dass sich Bewertung nennt. War es noch vor kurzer Zeit die Mundpropaganda, die half ein Geschäft besser als ein anderes dastehen zu lassen, weil die Bedienung sehr nett war oder das Essen sehr gut oder die Preise verträglich, so sind es heute die Bewertungen im Netz. Egal was Du heutzutage brauchst, zu allem und jedem kursieren Bewertungen im Netz. Bei Google abgegebene Rezensionen und Sterne von zufriedenen, aber auch unzufriedenen Kunden. Doch was machen diese Bewertungen mit dem Ruf eines Geschäftes oder eines Produkts? Und was ist, wenn die Bewertung nicht korrekt ist oder sogar geschäftsschädigend? Was ist, wenn es eine Lüge ist? Oder aus einer verletzten Eitelkeit herausgeschrieben wurde? Wer prüft es nach? Google schreibt: „Rezensionen werden nicht von Google überprüft. Google sucht aber gezielt nach gefälschten Inhalten, um sie zu entfernen.“ Das Problem dabei: Rezensionen und Bewertungen sind wie Messer. Ich möchte das Gedicht von Hilde Domin zitieren:

Das eigene Wort,

wer holt es zurück,

das lebendige,

eben noch ungesprochene

Wort?

Wo das Wort vorbeifliegt,

verdorren die Gräser,

werden die Blätter gelb,

fällt Schnee.

Ein Vogel käme dir wieder.

Nicht dein Wort,

das eben noch ungesagte,

in deinen Mund.

Du schickst andere Worte

hinterdrein,

Worte mit bunten, weichen Federn.

Das Wort ist schneller,

das schwarze Wort.

Es kommt immer an,

es hört nicht auf an-

zukommen.

Besser ein Messer als ein Wort.

Ein Messer kann stumpf sein.

Ein Messer trifft oft

am Herzen vorbei

Nicht das Wort.

Am Ende ist das Wort,

immer

am Ende

das Wort.

Genauso sind Bewertungen im Netz. Worte, die nicht mehr zurückgeholt werden können. Und doch werden sie immer wieder ausgesprochen. Wer macht sich noch Gedanken über die Wirkung von Worten?

Nur ein Beispiel, was für viele Beispiele stehen kann. Nachdem es für einen Brautladen nur 5-Sterne-Rezensionen gab, vernichtet eine Negativrezension mit nur einen Stern die ganze Bewertung. Die Geschichte vor Ort hat natürlich zwei Seiten. Hier eine Zusammenfassung und Einschätzung der Situation: Es gab einmal eine Kundin, die sich - sagen wir mal in irgendeinem Brautladen, in irgendeiner Stadt, in irgendeinem Land - nicht verstanden gefühlt hatte. Sie war stattlich gebaut und hatte einen Traum. Sie wollte an ihrer Hochzeit aussehen, wie eine Fee in einem leichten, luftigen Brautkleid. So ging sie in einen Brautladen, der so gar nicht auf ihre Größe eingerichtet war. Doch sie wollte nicht hören. Sie wollte genau dieses leichte Brautkleid. Es gab es nicht in ihrer Größe und konnte auch nicht bestellt werden. Die Brautberaterin bat um Einhalt. Sagte immer wieder, dass dies wohl nicht das richtige Geschäft sei. Doch die Braut in spe wollte nicht hören. Nein, sie wollte es nicht hören. Und so zwängte sie sich in ein Kleid, 3 Größen kleiner als sie trug. Es passte nicht, es barste, es riss. Es war eine Qual für alle Beteiligten. Enttäuscht, verärgert und traurig verließ sie mit ihren Freundinnen das Geschäft. Keine hatte ihr die Wahrheit gesagt, niemand wollte sie aus ihrem Traum wecken. Und so wurde diese Braut in spe wütend und gab dem Brautladen eine miese Bewertung und verfasste später eine Rezension: wie unmöglich man sich ihr gegenüber verhalten hatte und wie unfreundlich die Brautberaterin gewesen sei und und und.

Das ist dann das Endergebnis. Eine vernichtende Rezension. Emotional. Für das Geschäft ein Schlag ins Gesicht. Die gute Bewertung im Netz dahin. Aber wie heißt es so schön: „Rezensionen werden nicht von Google überprüft. Google sucht aber gezielt nach gefälschten Inhalten, um sie zu entfernen.“ Ich denke bevor man so etwas verfasst, sollte man einfach mal 10 x tief durchatmen. Seine Emotionen in den Griff bekommen. Sogar bei der Bundeswehr darf man Beschwerden nicht am gleichen Tag verfassen, sondern soll eine Nacht darüber schlafen. Also, lieber noch mal nachdenken, bevor man das Messer zieht mit Worten.