Brautly meets Heiko Jourdan, Herrenausstatter
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Viele Menschen finden ihre Passion auf dem Weg der Suche. So auch der Herrenausstatter Heiko Jourdan. Um sich seine eigenen Wünsche von individueller Bekleidung zu erfüllen, fand er seine Berufung. Heiko wurde zum Herrenausstatter mit Fokus auf Maßanzüge und alles, was dazu gehört. Mit seinem kleinen Geschäft in der Oberen Webergasse in Wiesbaden hat der 53-Jährige sich seinen Traum erfüllt. Das Ladenlokal wirkt edel in tiefem englischem Grün. An einer Wand feinste Krawatten in einem Regal drapiert. Heiko, in einem klassischen Tweet Anzug, sitzt an einem antiken Tisch mit rot-weiß karierten Sesseln, alles sehr gediegen. Seit 16 Jahren lebt er seine Passion und fertigt Maßanzüge mit Scabal in Portugal, die für feinste Maßanzüge und Stoffe stehen: Handelsgesellschaft Englands, Belgiens, Deutschlands und Luxemburgs, kurz SCABAL. In Deutschland gibt es rund 30 Herrenausstatter, die diese Traditionsmarke überhaupt vertreten.
Heiko, wie hast Du zu dieser Berufung gefunden?
Heiko Jourdan: „Ich hatte eigene Wünsche, die die Mode nicht bedient hat oder nur zeitweise und die es dann nicht mehr gab. Ich hatte schon immer einen anderen Geschmack als das, was die breite Masse anhatte, warum auch immer. Und daraus ist die Leidenschaft entstanden, das zu suchen, was ich gerne hätte - das war schwer zu finden. Dann habe ich mir etwas anfertigen lassen und das war deutlich näher dran an dem, was ich wollte, nur die Beratung hatte mir nicht gefallen. Dann habe ich mir selbst gesagt: Das kann ich besser! Also ganz individuell gucken, was braucht jemand und auf den Einzelnen eingehen. Viele Kollegen in der Maßkonfektion sind entweder sehr modisch orientiert, was gerade aktuell ist: knackig, eng, sportlich oder andere sind sehr konservativ.“
Auf was kommt es bei Dir an?
Heiko Jourdan: „Es geht bei der Maßanfertigung darum zu gucken welchen Körper habe ich vor mir? Welchen Typ Mann? Für was braucht er den Anzug? Und dann typgerecht zu beraten für den Beruf, eine Veranstaltung oder eine Hochzeit.“
Wer kommt zu Dir?
Heiko Jourdan: „Zu mir kommen Männer, die keinen Anzug tragen müssen, sondern einen Anzug tragen wollen. Und das kann ganz unterschiedlich sein.“
Wie sind die Wünsche der Bräutigame?
Heiko Jourdan: „Jeder Bräutigam wünscht sich etwas anderes. Wenn ein Bräutigam zu mir kommt, dann will er einen Anzug für die Hochzeit machen lassen, aber nach der Hochzeit weitertragen können. Eine Maßanfertigung, die ich nur einmal trage, macht keinen Sinn.“
Was empfiehlst Du dem Bräutigam?
Heiko Jourdan: „Ich empfehle einen Anzug zu wählen den man auch danach ohne die Accessoires tragen kann. Zur Hochzeit wird er auf gepimpt und nach der Hochzeit auch zu anderen Gelegenheiten getragen. Es sollte ein Anzug sein, indem sich der Mann wohl fühlt.“
Was gehört zu einem Hochzeitsanzug dazu?
Heiko Jourdan: „Er will etwas Besonderes und sich nicht verkleidet fühlen. Ich schaue erst, ist er ein Anzugtyp oder trägt er sonst keinen Anzug. Für jeden Mann ist bei der Hochzeit das Besondere etwas anderes. Ob er es schon kennt oder wie gewagt es ist. Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch gut aussieht, wenn er sich wohl fühlt. Dazu entscheidend ist die Passform, das Material, der Gesamteindruck und das ganz individuell. Der eine braucht etwas Festes, was ihn stützt und was er spürt. Der andere braucht etwas Leichtigkeit und einen Hauch von nichts. Und der andere fühlt sich mit einem Hauch von nichts nackig. Es ist ganz individuell, was jemand braucht. Manchmal wissen es die Männer auch nicht genau, sie können nur sagen, darin fühle ich mich wohl, darin nicht, wissen aber nicht, woran es liegt. Das ist der Prozess, den wir gemeinsam rausfinden: das Material, die Passform, die Farbe.“
Wie ist der Ablauf?
Heiko Jourdan: „Man vereinbart einen Termin. Ich kläre den Anlass und wenn der Kunde heiraten möchte, ist das Wichtigste das Datum. Männer neigen dazu zu spät zu kommen, wenn die Frau schon längst ihr Kleid hat, kommen die Männer auf den letzten Drücker. Dann ist die Frage: wo und wie wird geheiratet. Hat er Ideen, hat er Vorstellungen, damit ich den Stil und die Farbgebung herausfinden kann. Mich interessiert auch immer, was die Braut trägt. Ob er einen Anzug beruflich trägt und auch Krawatte und ob er zur Hochzeit dann lieber eine Fliege trägt. Für manche ist eine Krawatte schon chic genug. Das wird alles erfragt. Dann wählen wir den Stoff aus, die Farbe und Stoffqualität, das Innenfutter und die Knöpfe, die Form des Revers und der Taschen, soll es ein Seitenschlitz oder sein Rückenschlitz - alle Details der äußeren Form. Wenn wir das alles haben, geht es ans Maß nehmen. Zum Maß nehmen brauche ich nur ein oder zwei Körpermaße. Wir arbeiten in der Maßkonfektion mit Konfektionsgrößen. Da sieht man, wo ist sie zu eng, wo ist sie zu groß und dann kann man so relativ schnell genaue Stoffmasse ermitteln, die ich zum fertigen brauche. Der Maßschneider würde es mit Stoffzugabe zuschneiden und locker zusammenheften und Zwischenanproben machen. Das fällt in der Maßkonfektion weg und ist dementsprechend günstiger und schneller.“
Wie lange dauert ein Maßanzug?
Heiko Jourdan: „Die Produktion von Scabal braucht 3 Wochen plus Versand. In der Regel braucht es 4 bis 6 Wochen, so dass Zeit für Anprobe und möglicherweise Änderung ist. Für eine Hochzeit sollte man sich zwei bis drei Monate vorher darum kümmern.“
Wie teuer ist ein Maßanzug bei Dir?
Heiko Jourdan: „Ein Scabal Anzug beginnt bei 2.200 € auf Maß.“
Kommen die Bräute auch mal mit?
Heiko Jourdan: „Ja, die hatte ich schon dabei. Grundsätzlich ist es so, dass die die bei der Beratung und der Bestellung dabei sind, können gerne auch bei der Abholung dabei sein. Mir ist es lieber, da kommt die Braut, die Mutter oder der Trauzeuge mit beim Bestellen. Als wenn ich es mit dem Bräutigam allein mache und erst bei der Bestellung kommt jemand mit und sagt dann: die Farbe steht Dir aber nicht. Das hatte ich mal mit einer Bräutigammutter. Es ist gut, wenn Berater mit dabei sind und das Ergebnis gemeinsam getragen wird. Nicht gut ist, wenn er allein kommt und bei der Abholung dann Leute dabei sind, deren Meinung ihm wichtig sind und die vor einem Endergebnis stehen. Dann wird es aufwendig und ärgerlich für den Bräutigam.“
Was war das Kurioseste, was Du erlebt hast?
Heiko Jourdan: „Ich habe mal für einen Bräutigam 4 Teile auf Maß gemacht - Hose, Weste, Jackett und Hemd. Er kam mit seiner Braut und seinen Eltern. Alle 4 Teile haben ohne Änderung gepasst, was toll ist. Das Vorgespräch und die Zeit, die wir uns genommen hatten, hatte sich bezahlt gemacht. Nun ging es noch um ein Einstecktuch, er wollte nichts um den Hals. Ich habe ihm ein cremefarbenes Einstecktuch in die Brusttasche drapiert, wie man es gern zur Hochzeit macht, passend zum Brautkleid. Das war es irgendwie für ihn nicht. Wir haben dann 2 Stunden nach einem Einstecktuch gesucht. Der Vater und die Braut waren dann ausgestiegen und die Mutter versuchte ihren Sohn immer wieder zu überreden, doch auch mal eine Krawatte zu probieren oder ein Leineneinstecktuch. Das Endergebnis: Nach zwei Stunden hat er das Einstecktuch gewählt, das ich ihm als erstes eingesteckt hatte. Doch nun nicht drapiert, sondern nur gefaltet mit einer geraden Kante.“
Was ist Dir wichtig und macht Dich glücklich?
Heiko Jourdan: „Wenn ein Kunde mit einem Strahlen aus der Umkleide kommt und sagt: Wow, so etwas bequemes hatte ich noch nie! Das sieht man den Menschen auch an, wenn sie sich wohl fühlen, und das freut mich sehr. Wenn er das, was er versucht hat in Worte zu fassen und nur umschreiben konnte, weil er es noch nicht erlebt hat, wenn wir das so gut hinbekommen, gemeinsam der Kunde mit meiner Beratung und er sagt: Wow, ich will nichts anderes mehr! Ich warne auch immer vorher, wenn ich meinen Job gut mache, dann hat es einen hohen Suchtfaktor.“
Ist es trendy einen Maßanzug auf der Hochzeit zu tragen?
Heiko Jourdan: „Kunden, die einen Maßanzug zur Hochzeit wollen, nehmen die Hochzeit als Anlass. Der Anzug muss für die Hochzeit funktionieren. Dabei ist eher der Wunsch etwas machen zu lassen, was ganz Spezielles und Eigenes auf die Persönlichkeit und Figur passend - die Hochzeit ist der Anlass.“
Was für Trends siehst Du?
Heiko Jourdan: „Die letzten Jahre war Bordeaux und Grün angesagt. Jetzt geht es langsam in Richtung Salbei, ein helles Grün. Man sagt: Grün ist das neue Blau. Tendenziell wird wieder in heller geheiratet und im 20er Jahre Stil. Hosenträger und Westen kommen sehr verstärkt. Auch mal wieder Leinen. Tendenziell von allem etwas mehr und es wird sich wieder chic gemacht. Mehr Accessoires, mehr Einstecktücher, mehr Mut zu einem Akzent. Männer freuen sich, wenn sie eine Weste haben, dass sie das Jackett ablegen können und mit der Weste noch eine gute Figur machen können.“
Was ist Dein Tipp?
Heiko Jourdan: „Das Wichtigste ist, sich rechtzeitig zu kümmern und auch im Vorfeld zu fragen, ob Herrenausstatter das anbieten, was man sich wünscht. Die Chemie muss stimmen. Ich gehe sehr genau auf die individuellen Wünsche meiner Kunden ein. Aber auch der beste Maßschneider kann die Schwerkraft nicht überwinden.“
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