Brautly meets Sven Reichelt, Tanzlehrer für Hochzeitstänze
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Wer vor der Hochzeit noch schnell tanzen lernen möchte und nicht in langwierige Tanzkurse gehen mag, ist bei Sven Reichelt in seiner Tanzschule in Düsseldorf genau richtig. Er ist ein Tanzlehrer mit viel Herz und vor allem großen Knowhow. Der gebürtige 52-jährige Thüringer hat in der DDR Tanz studiert.
Sven, wie bist Du zum Tanzen gekommen?
Sven Reichelt: „Das war kurios. Ich komme aus der DDR und in der Region, wo ich wohnte, gab es nur einen Ringer- und Judoverein. Zum Fußball konnte ich nicht, weil es zu weit weg war und wir kein Auto hatten. Im Nachbarort machte dann ein Tanzverein auf und da hat mich meine Mutter hingeschleppt, weil sie meinte, dass ich ganz gerne tanze. Ich war 9 Jahre und weiß nicht mehr, ob ich es wirklich wollte. Als ich in die Halle reinkam, liefen 30 Mädchen auf mich zu und das war ganz schön. Ich habe dann gleich Walzer getanzt. Der Lehrer sagte, dass ich talentiert wäre. Sie hatten Jungs händeringend gesucht. In der DDR war es möglich Tanz zu studieren, was ich dann mit 15 Jahren machte. In der BRD gab es das nicht, hier gibt es eine 3-jährige Ausbildung und die musst Du selbst bezahlen. Vom 15. bis 19. Lebensjahr habe ich Tanz studiert und im Internat gelebt. 5 Jahre lang habe ich jeden Tag getanzt. Ich bin staatlich geprüfter Bühnentänzer. Mein Ziel war damals im Fernsehballett zu tanzen. Das war mein Traum, den hatte ich vor Augen, dafür hatte ich alle Voraussetzungen geschaffen. Dann brach alles zusammen - als die Mauer fiel, stand ich mit 19 Jahren mit meiner Ausbildung vor dem Aus. Aber ich habe den Kopf nicht hängen lassen und bin in den Westen. Bei der Tanzschule Breuer in Köln habe ich dann als Tanzlehrer gearbeitet. Karl Breuer hat mir noch die 3-jährige Ausbildung beim ADDV finanziert. Der muss sich gedacht haben, dass er so einen Tänzer aus der DDR nicht mehr wieder bekommt. Ich habe meinen Tanzlehrer gemacht und war allen Mitschülern um Lichtjahre voraus, die fingen zum Teil ja erst an zu tanzen. Immer meiner Zeit voraus habe ich mich mit 20 Jahren in Düsseldorf mit meiner Tanzschule selbständig gemacht.“ Heute arbeitet Sven Reichelt auch als Dozent für Tanz, unterrichtet unter anderem in der Schweiz und Österreich bei Tanzlehrer Kongressen und bildet Tanzlehrer in Disco Fox und Line Dance weiter. Line Dance ist ein Tanz entlang einer Linie zu Musik von Ed Sheeran oder Shakira. Line Dance kommt ursprünglich aus Amerika, diese Tänze werden auf der ganzen Welt gleich getanzt. In Düsseldorf hat Sven 400 Line Dancer unter Vertrag. Der Tanz gibt den Teilnehmern Freude und ein Gemeinschaftsgefühl wieder, was viele während der Coronazeit verloren hatten.
Wie bist Du auf die Idee mit Hochzeitstanzkursen gekommen?
Sven Reichelt: „Zu einem Publikum einer Tanzschule gehört das typische Hochzeitspaar. Die Frau sagt: „wir müssen wenigstens 1 Minute zur Eröffnung tanzen!“ Es gibt Paare, die melden sich dann für einen normalen Kurs an. Und die merken nach einigen Tanzstunden, dass sie die Tänze nicht alle brauchen. Für mich war klar: OK Hochzeitspaare muss ich ausklammern und flexibler werden. Mein Hochzeitstanzkurs heißt auch „Antiblamage Kurse“, diesen können auch Gäste machen, die zu einer Hochzeit eingeladen sind. Im April, Mai und Juni sind diese Kurse extrem gut besucht.“
Wie oft bietest Du es an?
Sven Reichelt: „Meine Kurse „Klassischer Anfänger Kurs“ dauern 5 Wochen. Die habe ich gekürzt, weil viele Männer Panik kriegen, wenn sie länger in solche Kurse gehen müssen. In jedem „Klassischer Anfänger Kurs“ sind die ersten beiden Wochen gleichzeitig für die Hochzeitspaare. Dort unterrichte ich langsamen Walzer, Wienerwalzer, Disco Fox und klassischen Foxtrott. Also diese 4 Tänze können Hochzeitspaare alle 6 bis 8 Wochen lernen.“
Kann man Dich auch privat buchen vor einer Hochzeit?
Sven Reichelt: „Ja, privat gebe ich gerade in der Hauptsaison der Hochzeiten bis zu 6 Termine pro Woche. Aktuell betreue ich um die 10 Hochzeitspaare. Viele kommen heutzutage mit einem eigenen Lied. Von 100 Paaren, die sich bei mir melden, nehmen inzwischen 80 eine private Stunde. Sie gucken auch nicht mehr aufs Geld. Ich nehme heute für 60 Minuten 79 €. Damit bin ich noch der Günstigste in Düsseldorf. Manche nehmen bis zu 150 €, weil sie sagen das ist das Exklusivste, was ich in einer Tanzschule anbieten kann. Und wir Tanzlehrer zahlen das gleiche für den Raum und Strom, ob wir ein Paar oder einen ganzen Kurs unterrichten, die Kosten bleiben gleich.“
Seit wann bietest Du Hochzeitskurse an?
Sven Reichelt: „Seit 10 Jahren. Und die Privatstunden sind in den letzten Jahren stärker gefragt, weil es immer mehr zum Battle der Bräute wird, wie und was sie auf ihren Hochzeiten zur Eröffnung tanzen.“
Wer kommt zu Deinen Hochzeitstanzkursen?
Sven Reichelt: „Eigentlich alle von Mitte 20 bis Ende 50. Im Moment habe ich im Privatunterricht zwei Paare beide Ende 50. Die einen wollen nach 20 Jahren Beziehung jetzt heiraten und tanzen bei mir. Hauptsächlich sind die 30 bis 35-Jährigen bei mir im Kurs - salopp gesagt vom Müllmann bis zum Herzchirurgen. Ich habe auch Paare, die nach 3 Privatstunden so begeistert sind, dass sie nach der Hochzeit zum Kurs kommen.“
Was für Tänze kann man lernen?
Sven Reichelt: „Klassiker: Walzer. Der Wienerwalzer muss es heute bei einer Hochzeit nicht mehr unbedingt sein. Viele tanzen gern zu Ed Sheehan „Perfekt“. Ich habe auch schon zu Liedern von den Toten Hosen choreografiert. Viele kommen mit einem besonderen Lied und es wird getanzt, was das Lied hergibt. Bachata, Boogie, Jive, Rock’n’Roll - es gibt nichts, was es nicht gibt. Auch bei einem klassischen Blues kann man eine Rumba tanzen - Rumba, der Liebestanz schlechthin. Es gilt eine Geschichte zu erzählen mit einem Intro, das Paar geht aufeinander zu, sie finden sich auf der Tanzfläche, tanzen und gehen zusammen ab, den Weg zusammen weiter - wenn man da ein bisschen Liebe reinlegt, wird es immer schön. Ich mache den Brautpaaren immer Vorschläge: Man kann es so oder so machen. Ich lasse mich auf jedes Brautpaar ein.“
Wann sollte man vor der Hochzeit mit dem Kurs beginnen?
Sven Reichelt: „Man sollte es nicht zu früh machen, da vergessen die meisten bis zur Hochzeit wieder alles. Das ist raus geschmissenes Geld. Zwei Monate vor der Hochzeit reicht. Einen Monat vor der Hochzeit steht die Choreo. Ich mache dann ein Lernvideo. Von 10 Brautpaaren nehmen es 9 gerne an. 4 bis 5 Tage vor der Hochzeit gibt es noch eine Generalprobe und da lass ich das Paar einfach 4-mal durchtanzen. Danach sage ich etwas, damit sie lernen auch bei einem Blackout weiterzumachen und zu reagieren. Zu 100% lebe ich von der Mundpropaganda. Wenn dann auf der Hochzeit gefragt wird, wo habt ihr das gelernt und sie sagen in der Tanzschule Reichelt, dann habe ich meine Arbeit gut gemacht. Entweder mache ich es mit Herz, sonst brauche ich es nicht zu machen.“
Wird noch oft der klassische Hochzeitswalzer getanzt?
Sven Reichelt: „Tatsächlich ist es offen, da es meist über das Lied geht. Wenn sie nicht wissen, was sie wollen, dann mach ich Vorschläge oder lass mir das Kleid der Braut zeigen, um zu wissen, was ich empfehlen kann. Und gebe dann Tipps, ob langsamer Walzer oder etwas anderes. Zurzeit ist es so, dass 50% Walzer tanzen und 50% zum eigenen Lied. Manche kommen und wollen 1 Minute Walzer, dann einen Break und dann 40 Sekunden abrocken, dann kommen alle Gäste dazu und die Party geht los.“
Welche Trends siehst Du bei Hochzeiten und Eröffnungstänzen?
Sven Reichelt: „Was sehr beliebt ist, ist Bachata - ein Tanz aus der Familie von Salsa und Merengue - er ist etwas langsamer, wird auch getanzt zur Musik von Alvaro Soler „Despasito“. Es ist jetzt mehr der Social Dance gefragt. Heute kommen Paare in die Tanzschule und wollen tanzen, was sie draußen anwenden können, wie Tango Argentino oder Bachata, was an einigen Orten in Düsseldorf im Freien getanzt wird. Das ist bei den Brautpaaren richtig angesagt.“
Was ist Dir wichtig als Tanzlehrer?
Sven Reichelt: „Dass die Natürlichkeit erhalten bleibt. Manche kommen und haben 20 Sekundenlange Musikschnipsel zusammengeschnitten und wollen dazu eine Choreografie. Meistens sind das Fälle, wo der Mann nicht dahintersteht und auch nicht unbedingt gut tanzen kann. Und manche Paare können so schön tanzen und die wollen nur kurz und klassisch tanzen. Die die gut sind, wollen oft nur wenig tanzen und die die nicht so viel können, wollen ausgefallene Choreos. Mir ist ein zufriedenes Paar sehr wichtig. Ein Walzer mit Grundschritten kann manchmal viel glücklicher machen als eine übertriebene Choreografie. Ich frage vieles ab und interessiere mich für das Brautpaar, aber auch wie ist der Boden in der Location, wo ist die Tanzfläche und das Publikum und der DJ, damit ich weiß, wie wir die Choreografie machen. Das ist mein Job.“
Was macht Dir am meisten Freude bei Deiner Arbeit?
Sven Reichelt: „Der ganze Job, weil ich es liebe, mit und unter Menschen zu sein. Ich mache Line Dance und da habe ich um die 50 TeilnehmerInnen im Kurs. Das macht mir Freude, es ist nicht so intim, du hast mit vielen Freude. Bei Brautpaaren, die mich 3 - 6 Stunden buchen, da wird es intimer, danach kennt man sich ein bisschen. Diesen privaten Austausch mag ich. Ich bin 30 Jahre Tanzlehrer. Ich habe ein Netzwerk. Wenn ich irgendetwas brauche, sage ich es in meinem Kurs und ich bekomme sofort einen Tipp. Weil ich mich für die Leute interessiere, und das merken sie und das macht mir Freude.“
Gibt es noch etwas, was Dir wichtig ist und Du Brautpaaren mit auf den Weg geben möchtest?
Sven Reichelt: „Ich bin alte Schule. Für mich ist der Eröffnungstanz wichtig. Eine Hochzeit ohne Brauttanz, da fehlt das I-Tüpfelchen. Der Tanz ist die Eröffnung der Party. Er kann so einfach sein. Und der Tanz macht auch etwas bei den Hochzeitsgästen. Der Tanz kann noch so schlecht sein, aber danach, wenn Du die Dame, deine Braut ausdrehst und ihr einen Kuss gibst und sie runter führst von der Tanzfläche. Das macht was aus. Die Brautmama sieht die Tochter ist gut behütet. Der Braut Papa kann dann ein wenig loslassen. Für jeden Brautmann gibt es einen Tanz. Gibt es den Eröffnungstanz nicht, verlieren wir unsere Rituale und Traditionen. Der Hochzeitstanz sollte erhalten werden. Ich biete auch in der zweiten Privatstunde an die Brauteltern oder Bräutigameltern einzuladen, damit die Braut und der Bräutigam auch mit ihnen mal tanzen. Man kann auch mit Trauzeugen tanzen, das ist auch ein Opening.“
Im nächsten Jahr feiert Sven Reichelt mit seiner Tanzschule in Düsseldorf sein 30-jähriges Bestehen. Wir wünschen weiterhin viel Glück und Erfolg. Ganz lieben Dank für das Gespräch lieber Sven.