Hochzeitsnacht - altes Ritual neu denken!

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Wir schreiben das Jahr 2025 und viele Traditionen und Rituale sind überholt oder werden inzwischen ganz anders vollzogen. Nehmen wir die Hochzeitsnacht. Ursprünglich war diese Nacht der Moment, in dem das Paar zum ersten Mal intim miteinander wurde, weil Sex vor der Ehe in vielen Kulturen tabu war. Erst in der Hochzeitsnacht sprach man von „dem Vollzug der Ehe“, es symbolisiert die körperliche und innige Verbindung zwischen den Frischvermählten. Doch welches Paar in unseren Breitengraden lebt das noch? Je mehr ich über „Hochzeitsnächte“ nachdenke und darüber lese, um so absurder finde ich sie eigentlich. Heutzutage sind die meisten Paare, die heiraten schon ewig zusammen, haben meist schon Kinder und dann halten sie an diesem alten Ritual der Hochzeitsnacht fest. Seien wir doch mal ehrlich: Die Hochzeitsnacht ist die Nacht nach einer großen Feier, wo viele entweder zu geschafft von dem Tag, der ganzen Aufregung, dem Stress und einer anstrengenden Party nur noch ins Bett fallen wollen und dann sollen sie die Ehe vollziehen! Dann kommt es oft vor, dass einer oder beide zu betrunken sind. Oder, dass man sich vielleicht gestritten hat, weil der eine schon nach Hause will, der andere nicht und dann wird die Hochzeitsnacht leider auch nicht so schön. Laut einer Umfrage aus dem Jahre 2022 unter 1.834 neu verheirateten Paaren hat ergeben, dass 65 % in der Nacht nach dem Gang zum Traualtar nicht miteinander intim wurden. Das heißt: nur 35 % hatten Sex. Und das ist ein Anstieg, denn noch im Jahr 2016 waren es zumindest 48 %, die die Ehe vollzogen und intim wurden. (Quelle: Hochzeitswebseite hitched.co.uk) Die Zahlen belegen, dass sich immer mehr Paare von dem Ursprung der Hochzeitsnacht entfernen. Ihr seht, die meisten Brautpaare verbringen Ihre Hochzeitsnacht nicht so, wie es im Bilderbuch steht.

Was also tun mit diesem „blinden Motiv“ Hochzeitsnacht? So nennt man das in der Folkloreforschung, wenn Menschen kulturelle Praktiken fortsetzen, die einst spezifische Bedeutungen hatten, aber der Kontext und die Bedeutung im Laufe der Zeit verloren ging. Viele Paare meinen auch heute noch, dass die Hochzeitsnacht etwas Besonderes sein soll und sie unbedingt miteinander Liebe machen müssten - sie romantisierten die Hochzeitsnacht. Dann müsstet Ihr eigentlich auch weniger trinken und frühzeitig Eure Hochzeit verlassen, damit Ihr der Tradition gerechtet werden wollt. Viele Brautpaare schlafen auch die Nacht vor der Hochzeit getrennt (Tradition!), weshalb der Wunsch und Druck nach einer schönen Hochzeitsnacht als Frischvermählte steigen soll. Was für einen Druck sich Paare selbst aussetzen. Erwartungen - zu hohe Erwartungen - führen zu Enttäuschungen. Kennst Du das nicht auch, wenn Du etwas ganz besonders planst und die größten Vorstellungen und höchsten Erwartungen hast, dann geht es doch meist schief, oder? So ist das auch mit der „Hochzeitsnacht“. Je mehr Du Dir davon erwartest, um so fürchterlicher kann sie werden. Manche kommen dann noch daher und sagen: was in der Hochzeitsnacht passiert, ist ausschlaggebend für die kommende Ehe. Quatsch!

Wie wäre es umzudenken? Neue Traditionen zu schaffen? Neue Begriffe? Wenn die Hochzeitsnacht den Beginn des ehelichen Lebens markiert, könnt Ihr auch einfach zusammen ausschlafen und Euch frei fühlen, ob Ihr Sex habt oder nicht. Es ist die Zeit, die Ihr miteinander verbringt und wie und wo und wann Ihr Eure Liebe und Zuneigung ausdrückt, ist Eure höchst individuelle und persönliche Entscheidung. Genießt Eure Hochzeit in vollen Zügen und macht Euch keinen Stress mit der Hochzeitsnacht. Es ist eine Nacht. Nehmt Euch Frühstück ins Bett, lasst Eure Hochzeit Revue passieren und schwelgt in Erinnerungen und genießt die Zweisamkeit am Morgen. Wenn Du die Tradition nicht brechen willst, aber ein paar Schrauben drehen möchtest, dann verlege sie einfach auf einen anderen Zeitpunkt. Eine schöne Alternative sind die Flitterwochen. Ein romantischer Abend mit Kerzen, Musik, Zweisamkeit und einer unvergesslichen Nacht. Aber auch da: Vorsicht! Keine zu hohen Erwartungen!

Vielleicht geht es auch darum neue Traditionen einzuführen und die Schwere aus altem Überlieferten zu nehmen und Neues zu schaffen. Es heißt, dass mindestens zwei Überlieferungen über drei Generationen hinweg erforderlich sind, damit eine Praxis, ein Glaube oder ein Gegenstand als traditionell angesehen werden kann. Also los!